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Land + Menschen

Technologie-Land Spanien – kurios bis High-tech.

Land der Eroberer – País de los conquistadores.

Hernán Cortés Eroberer des Azteken Reiches. Das sogenannte "Goldene Zeitalter" Spaniens – Entdecker, Konquistadoren und Seefahrer prägten die Zeit. (© gemeinfrei)

Hernán Cortés Eroberer des Azteken Reiches. Das sogenannte “Goldene Zeitalter” Spaniens – Entdecker, Konquistadoren und Seefahrer prägten es. (© gemeinfrei)

Gemeinhin wird Spanien kaum mit Technologie oder grossen Erfindungen in Verbindung gebracht. Es wird viel mehr als das Land der Eroberer gesehen. Jeder kennt den einen oder anderen Namen wagemutiger und recht rücksichtsloser Männer, die sich ab dem 15. Jahrhundert aufmachten Reichtum, Macht und Ruhm zu erlangen und dabei ganz unbewusst begannen, die Welt neu zu gestalten, neu zu verteilen, eine neue Epoche der Weltgeschichte einzuläuten.

Hernán Cortés, der das Azteken Reich auslöschte, Francisco Pizarro, der selbiges mit den Inkas rücksichtslos aber effizient bewerkstelligte oder Cristóbal Colón, Cristóvão Colombo oder Christoph Kolumbus, je nachdem, ob man ihn als Spanier, Portugiese oder Genueser sieht. Mit Kolumbus verhält es sich wie mit Beethoven, den Deutsche wie Österreicher für sich reklamieren.

Nur, wie sieht es mit spanischen Erfindern oder Nobelpreisträgern aus? Da wird es eng. Kaum jemand wird den Spanier Manuel Iradier kennen, den Erfinder des ersten automatischen Wasserzählers. Doch auch ihn trieben seine spanischen Gene an und so war er nicht nur Erfindern sondern Entdecker grosser Teile Zentralafrikas. Fast täglichen kommen jedem Menschen spanische Erfindungen unter, teils auch wenig spektakuläre. Wem könnte bekannt sein, dass Alejandro Finisterre das Tischfussball erfand?

Auch mit bedeutenden Nobelpreisträgern kann Spanien aufwarten. Santiago Ramón y Cajal erhielt 1906 gemeinsam mit dem Italiener Camillo Golgi den Medizin Nobelpreis für bahnbrechende Forschung im Bereich des menschlichen Nervensystems. Ein Jahr nachdem der berühmte deutsche Robert Koch 1905 den Nobelpreis für seine Forschung im Bereich der Tuberkulose erhielt und sich damit aufmachte, die Welt von einer Jahrtausende alten Seuche zu befreien, die schon den Homo erectus dahin raffte.

Wer sich mit Technologie in Spanien befasst, wird überrascht feststellen, das vor allem die Katalanen jedwede innovative Art der Technologie förmlich aufsaugen und zu ihrem Nutzen einsetzen. Und das zu jeder Zeit der Geschichte. Ob die Neuerungen aus Persien, Rom oder Berlin kamen, war und ist ihnen gleichgültig. Geschichtlich bedingt musste der Katalane immer schon Weltbürger sein. Kaum hatte beispielsweise der neu gegründete AEG Konzern in Berlin (urspr. „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität“) die Edison Patente zur Nutzung erworben, liess sich ganz Barcelona, noch vor Madrid, vom AEG Konzern elektrifizieren.

Wirtschaftliche Eckdaten Spaniens im Vergleich zu Deutschland. (© Dr. Ingmar Köhler)

Wirtschaftliche Eckdaten Spaniens im Vergleich zu Deutschland. (© Dr. Ingmar Köhler)

Sieht man sich die Internet-Abdeckung und Geschwindigkeit Spaniens im Vergleich zu Deutschland an, dann ist die durchschnittliche Netzgeschwindigkeit doppelt so hoch, wie jene des Exportweltmeisters, in Ballungszentren ein Vielfaches jener deutscher Grossstädte. Auch in Bezug auf die Netzabdeckung bei mobilem Breitband Internet sieht Deutschland im Verhältnis zu Spanien alt aus. Selbst auf den entfernten Kanarischen Inseln, entlegenster Punkt des politischen Europas, ist das mobile Breitbandnetz besser ausgebaut als im Ruhrgebiet.

Spanien ist ausserhalb der Schuldenkrise und sonnigem Badeurlaub nicht am Radar von Ländern wie Deutschland, geprägt von einem gewissen Hochmut der Überlegenheit. Daher gibt es wohl auch mehr deutsche Lehrstühle im Bereich „Ägypthologie“ denn für „Spanische Geschichte“. Ein grober Blick in die technologische Geschichte Spaniens mag den einen oder anderen vielleicht dazu bewegen, einwenig genauer hinzusehen. Einiges mag erheiternd sein, anderes wiederum überraschend.

Spanien – die Erfinder der Cash Crops.

Zuckerrohr – an den Verdickungen bildet sich bis zu 17% Zucker.

Zuckerrohr – an den Verdickungen bildet sich bis zu 17% Zucker. (© CCL n.n.)

Cash crops, also Bargeld Pflanzen, Pflanzen, die nicht als Nahrungsmittel angebaut werden, sondern als Pflanzen, die zum reinen Rohstoff werden, gehandelt werden wie Eisenerz, Kohle, Kupfererz und es völlig in der Luft hängt, wie bei Eisenerz, ob daraus nun mal ein Auto, ein Hammer oder ein Uhrarmband wird. Pflanzen, die nicht mehr primär die Bestimmung haben, Menschen zu ernähren, sondern jene rein „Geld zu machen“ und es unbestimmt ist, was aus diesem Rohstoff einmal werden wird.

Jeder kennt das aus der heutigen Diskussion um Monsanto und Bayer, die antraten, um Lebensmittel bar jeder Moral zu pervertieren. Ihr Fokus liegt dabei auf dem Cash Crop schlechthin: Mais! Nichts ist besser geeignet. Absolut keine Pflanze. Denn Mais ist ein Geschenk der Natur. Es kann alles. Vorausgesetzt, man hat gute Chemiker an der Hand. Sie erzeugen aus Mais Verpackungsmaterial, künstlichen Honig, Erdbeergeschmack und alles, was ein Lebensmittelkonzern sonst noch als Wunschliste abgibt. Aber auch die Automobilindustrie mag Mais, denn aus ihm lässt sich hervorragend Biosprit herstellen. Es ist keine Übertreibung: Mais kann alles. Popcorn für einen Kinoabend, das kann Mais auch noch.

Interessanter Weise wird nirgends thematisiert, dass es Spanier waren, die sozusagen Cash Crops erfanden. Heute ist es Mais, damals war es das Zuckerrohr. Eroberten noch Germanen Ackerbauflächen vom Hunger getrieben im Süden, um Zugang zu Nahrungsmittelressourcen zu erhalten, oder Römer Ägypten, als die Kornkammer des römischen Reiches, verhielt es sich bei den spanischen Eroberungszügen ab dem 16. Jahrhundert gänzlich anders.

Europa lechzte mit Beginn des 15. Jhd. nach Zucker, einem Luxusartikel der Wohlhabenden. Die verheerenden Pestepidemien des 14. und 15. Jhd. raffte wohl mindestens Eindrittel der Bevölkerung dahin. Die Folgen waren weitreichend. Auch die Lebenseinstellung der Menschen änderte sich grundlegend, hingewandt zu Genuss und Lebensfreude. Ein wahrer Konsum- und Handelsboom entstand aus Europa heraus, der bis in den Orient und nun auch nach Amerika wirkten sollte.

Das sogenannte „Goldene Zeitalter“ Spaniens brach an, wie man es selbst nannte. Doch es war nicht auf Gold aufgebaut sondern auf dem „Weissen Gold“ Zucker, Silber und Sklaven. Alles spielte zusammen, eine Industrie entstand, der Handel im sogenannten „Atlantischen Dreieck“ lief wie ein Uhrwerk. Man legte in Spanien ab, beladen mit Handelswaren für die nordafrikanischen Sklavenjäger, tauschte auf den kanarischen Inseln gegen Sklaven, brachte diese auf die Plantagen in Übersee und kehrte beladen mit Zucker und Baumwolle nach Sevilla oder Cadíz zurück. Nur Silber hatte man nicht an Bord. Dazu wurde eigens die spanische Silberflotte unterhalten, die britische Freibeuter im Dienste der Krone im Auge hatten.

Konstruktionszeichnung der Decks eines zeitgenössischen Sklavenschiffs. Menschen wurden wie Ware gestapelt. Es wurde mit "50% Verlust" beim Transport kalkuliert. (© gemeinfrei)

Konstruktionszeichnung der Decks eines zeitgenössischen Sklavenschiffs. Menschen wurden wie Ware gestapelt. Es wurde mit “50% Verlust” beim Transport kalkuliert. (© gemeinfrei)

 

Doch bevor das „Atlantische Dreieck“ in Schwung gebracht werden konnte, musste erst einmal erobert werden. Und das taten die Spanier mit atemberaubender Geschwindigkeit und Weitsicht, argwöhnisch beobachtet und gestört von Engländern und Portugiesen.

Kaum war Gran Canaria 1483 erobert, wurde im selben Jahr das Agaete Tal auf der Insel samt Hafen zu einer riesigen Zuckerrohr-Plantage umgestaltet. Portugiesen lieferten das Know-how. Noch radikaler verlief es nach der Eroberung Kubas. Eine Insel, die geprägt war von breiter, landwirtschaftlicher Vielfalt und tropischen Wäldern, völlig autark, wurde zu einer einzigen grossen Zuckerrohr Monokultur umgebaut. Der Umbau der Insel war so radikal, das Kuba heute noch an den Folgen zu leiden hat und am Zuckerrohr Tropf hängt. Nicht anders verlief es in Lateinamerika. Spanier kamen, nahmen Land in Besitz, um darauf systematisch Plantagen von immenser Größe zu errichten, um das Luxusgut zu produzieren, nach dem Europa verrückt war: Zucker. Es landete in Getränken, Essen, Backwaren. Neue Berufszweige entstanden wie der „Zuckerbäcker“.

Aber auch wie heute Mais wurde das Cash Crop Zuckerrohr nicht nur zu Zucker verarbeitet. Abfallprodukte wie die Melasse wurden zu dem neu erfunden Rum destilliert. Das Wissen um die alkoholische Destillation war neu. Das Persische Wissen darüber gelangte über die Kreuzzüge nach Spanien, genau gesagt Katalonien, wo es sofort begeistert aufgegriffen wurde.

Stark in der Seefahrt – die U-Boot Pioniere.

Nachbau des U-Bootes Ictíneo II (span: Unterseeboot) des spanischen U-Boot Pioniers Narcís Monturiol im Hafen von Barcelona. Herausragende Technologie seiner Zeit. (© CCL Flemming Mahler Larsen)

Nachbau des U-Bootes Ictíneo II (span. für Unterseeboot) des spanischen U-Boot Pioniers Narcís Monturiol im Hafen von Barcelona. Herausragende Technologie seiner Zeit. (© CCL Flemming Mahler Larsen)

Das „Goldene Zeitalter“ Spaniens fundiert auf den herausragenden Leistungen brillanter Seefahrer. Ohne Karten brachen sie mit rudimentärsten Navigationshilfen ins Ungewisse auf. Ausser den Breitengrad konnte man nichts bestimmen, noch nicht einmal die exakte Uhrzeit. Die Ermittlung des Längengrades wurde durch Koppelnavigation grob geschätzt, so man daran glaubte, die Erde sei rund, was zu jener Zeit von der katholischen Kirche und deren Helfern heftig bestritten wurde. Das „Längengrad Problem“ wurde erst 250 Jahre später mit den ersten mobilen hochpräzisen Uhren gelöst.

Die navigationstechnischen Probleme waren jedoch nur eine der vielen Hürden. Man fuhr mit winzigen Nussschalen in den wilden Atlantik hinaus, mit Schiffen, die auf Grund der mässigen Besegelungstechnik nicht gegen den Wind aufkreuzen konnten. Es musste immer wieder ein Windgürtel gesucht werden, der das Schiff in die richtige Richtung trieb. Um in diese Windgürtel zu gelangen war es öfter notwendig, dass die Mannschaft rudernd mit Beibooten das Hauptschiff tagelang zogen. Welche Entbehrungen und Ängste auf den Schiffen der ersten Kolumbus Expedition herrschten, ist im Logbuch von Cristóbal Colón nachzulesen, das in Auszügen und Abschriften erhalten ist.

Auch hatte man kein Wissen über die grossen globalen Wind- und Strömungssysteme. Weder kannte man die Passatwindgürtel noch den Azoren, Kanaren- oder Golfstrom, die eine nautisch einfache Südroute nach Lateinamerika ermöglichen und eine Nordroute, die Schiffe wieder nach Europa „zurücktreiben“. Beide Routen sind heute Standard, werden auch von den grossen Frachtschiffen genutzt, um brennstoffsparend über den Atlantik zu kommen.

Das System der Passat Winde.

Das System der Passat Winde. (© CCL n.n.)

Kolumbus kannte diese Systematik nicht und so fuhr er auf seiner ersten Amerika Reise einen Zickzackkurs – immer wieder in und aus dem Passatwindgürtel heraus. In der Tat war er ein unglaublich brillanter Geist, denn er verstand schnell, dass eine feste Systematik im Wind- und Strömungssystem herrschte. Schon auf seiner zweiten Amerika Reise querte Cirstóbal Colón den Atlantik fast in einem Schlag auf direkter Linie und kehrte auf der Nordroute ebenso zielstrebig nach Europa zurück. Wer in Las Palmas de Gran Canaria die Gelegenheit hat die Casa de Colón zu besuchen, kann herrlich dokumentiert in die herausragende Leistung dieses genialen und vor allem auch unerschrockenen Seefahrers eintauchen.

Sind die Namen der grossen spanischen Entdecker bekannt, ist die spanische Pionierleistung im Bereich des U-Boot Baues weithin unbekannt. Wer kennt schon Isaac Peral y Caballero oder Narcís Monturiol?

Schon in der Antike erkannte man, welche fantastische Seeüberlegenheit durch Unterwasserboote in Seeschlachten erzielt werden könnte. So existieren aus dieser Zeit Skizzen, die jedoch allesamt Fantasie blieben. Über Versuche mit Tauchglocken ging es nicht hinaus. Weder war Materialtechnik noch Physik ausreichend fortgeschritten, um die Ideen zu realisieren. Für eines der Kernproblem des U-Bootes, den Antrieb, gab es keine einzige sinnvolle Idee.

In die Geschichte ging die CSS H.L. Hunley ein, das erste U-Boot der Welt, das im Kampfeinsatz während der amerikanischen Sezessionskriege ein feindliches Schiff versenkte. Im Inneren sassen acht Männer, die mit Muskelkraft und Kurbeln einen Propeller antrieben, einen Speer in das gegnerische Schiff rammten und beim Rückwärtsfahren mit einer Leine den Sprengsatz auslösten. Die USS Housatonic wurde versenkt aber auch die Mannschaft der CSS H.L. Hunley war auf der Stelle tot. Man hatte nicht bedacht, dass sich die enorme Druckwelle unter Wasser rasant und massiv ausbreiten würde und so wurde die achtköpfige Mannschaft im Inneren des U-Bootes förmlichen von der Druckwelle erschlagen.

Schnell war allen bewusst, dass das Kernproblem, das es beim U-Boot Bau zu lösen galt, der Antrieb war. Mit Muskelkraft bei geringsten Sauerstoffvorräten konnte weder lange getaucht werden, noch war man im Stande, weitere Strecken zurück zu legen. Nachdem sich auch der Druckluftantriebe des Franzosen Charles Bruns Plongeur als untauglich erwies, traten zwei Spanier an, Isaac Peral y Caballero und Narcís Monturiol, das Antriebsproblem zu lösen.

Am 2. Oktober 1864 wurde die Ictíneo II des genialen Ingenieurs Narcís Monturiols im Hafen von Barcelona zu Wasser gelassen, das erste U-Boot der Welt, mit einem praktikablen Maschinenantrieb. Monturiols konstruierte einen brillanten anaeroben Magnesiumperoxid Motor. Eine chemische Reaktion erzeugte grosse Hitze, produzierte Wasserdampf, die den Motor Antrieb, als Abfallprodukt entstand Sauerstoff, das in Tanks gesammelt wurde und als Atemluft für die Mannschaft verwendet wurde. Eine herausragende technologische Leistung in Holz-Kupfer Konstruktion.

1888 lies Isaac Peral y Caballero sein hoch innovatives U-Boot aus Stahl im spanischen Marinehafen Cartagena zu Wasser. Es war das erste U-Boot, das mit zwei starken Elektromotoren und als erstes mit Rohren für Propeller getriebene Torpedos ausgestattet war. Man kann es als erstes U-Boot der Geschichte bezeichnen, das als hoch gefährliche funktionsfähige U-Boot Waffe eingesetzt werden konnte.

Leopoldo Milá Sagnier – das 2-Rad neu gedacht.

1968, das erste Trial Bike der Geschichte – Cota 247, Ingenieur Leopoldo Milá. Unglaublich modern: Stahl, Aluminium, Fieberglas, Acryl Technologie. (© Dr. Ingmar Köhler)

1968, das erste Trial Bike der Geschichte – Cota 247, Ingenieur Leopoldo Milá. Unglaublich modern: Stahl, Aluminium, Fieberglas, Acryl Technologie. (© Dr. Ingmar Köhler)

Leopold Milá Sagnier (1921 – 2006) war ein innovativer Ingenieur, Industriedesigner und Unternehmer. Ob er an Möbeln, Automobil Teilen oder Zeltstangen sein Können und Talent einsetzte: Die meisten seiner Ideen und Entwürfe wurden erfolgreich und richtungsweisend. Er verstand es, moderne Werkstoffe erstmalig in Konstruktionen einzusetzen. Sein Leben verlief als anhaltend leuchtende Karriere als Ingenieur und Designer.

Ambitionierten Motorradfahren wird Leopold Milá Sagnier wahrscheinlich bekannt sein. Er entwarf unzählige Motorradmodelle des spanischen Herstellers Montesa. Um ihre exzellente Leistung und Robustheit unter Beweis zu stellen, lies Milá drei Montesa Impala Modelle in Kapstadt starten, den ganzen afrikanischen Kontinent nach Tunesien durchqueren, um wieder in Spanien anzukommen. Und alle drei kamen an.

Sein Meisterstück lieferte Milá wohl 1968 mit der Cota 247, ein Motorrad von völlig neuem Konzept. Es war die erste Trial-Maschine weltweit, also ein Motorrad, das noch da vorwärts kommen sollte, wo Cross-Maschinen versagten. Es musste kraftvoll und zugleich besonders leicht sein, darüberhinaus enorm robust. Milá realisierte mit herausragender Ingenieurskunst diese sich widerstreitenden Anforderungen, in dem er Stahl, Aluminium, Acryl und Fieberglas einsetzte. Materialien, die so noch niemand vor ihm zum Bau eines Motorrades eingesetzt hatte. Das Ergebnis ist Kult.

Wer eine Cota 247 im Original erleben will, der hat dazu im 2. Stock des Design Museums Barcelona die Möglichkeit. Überhaupt eine gute Adresse, um spanisches Industriedesign, das fast jedem täglich unter kommt, zu erkunden.

Putzen und spritzen – Technologie eines Luftfahrtingenieurs.

Der Luftfahrtingenieur Manuel Jalón Corominas (1925 - 2011) erfand und patentierte den Wischmopp und die Einwegspritze. (© CCL Rosane Marinho)

Der Luftfahrtingenieur Manuel Jalón Corominas (1925 – 2011) erfand und patentierte den Wischmopp und die Einwegspritze. (© CCL Rosane Marinho)

Manuel Jalón Corominas (1925 – 2011) ist eine hoch interessante, wenn auch kaum bekannte, Persönlichkeit. Er wurde im spanischen Logroño geboren und lebte Großteils in Zaragoza. An der Universität Madrid wurde er zum Luftfahrtingenieur ausgebildet und war danach aktiver Offizier der spanischen Luftwaffe.

Zeitweilig lebte Jalón in Finnland und den USA. In den USA machte er eine seiner beiden erfolgreichen Erfindungen, als er beobachtete, wie ein Flugzeug Hangar ausgewischt wurde. Es entstand die Idee, ein Reinigungsgerät für den Haushalt zu entwickeln. Das Ergebnis kennt jeder und jeder hatte es schon einmal in Händen: Den Wischmopp mit Auswring-Vorrichtung. Zurück in Spanien gründete Jalón 1958 ein Unternehmen, fand katalanische Investoren und begann den Wischmopp zu produzieren. Nachdem er in über 40 Länder exportiert und 60 mio. mal verkauft wurde, erwarb der Curver BV Konzern das Unternehmen.

Der Luftfahrtingenieur Manuel Jalón Corominas war ein Erfinder mit Praxisbezug. Er erfand und patentierte u.a. den Wischmopp mit Auswring-Vorrichtung. (© CCL Husond)

Der Luftfahrtingenieur Manuel Jalón Corominas war ein Erfinder mit Praxisbezug. Er erfand und patentierte u.a. den Wischmopp mit Auswring-Vorrichtung. (© CCL Husond)

Nun mag man die Nase rümpfen, dass ein Luftfahrtingenieur einen Wischmopp erfindet, doch es veränderte die Putzgewohnheiten weltweit. War es zu dieser Zeit in Spanien, Deutschland, der Schweiz und wo auch immer üblich, dass in Haushalten, die auf Reinlichkeit wert legten, die Hausfrauen auf Knien den Boden schrubbten, änderte sich das nun schlagartig. Ob in China oder Patagonien – der Wischmopp mit Auswring-Vorrichtung ist heute auf der ganzen Welt fixer Bestandteil der Reinigung.

Viele träumen davon, einmal im Leben so ein Husarenstück zu reiten und eine derart geniale Erfindung zu machen, die nun wirklich absolut jeder auf dieser Welt gebrauchen kann: Einen Wischmopp zum Beispiel. Aber, woher Manuel Jalón Corominas auch immer seine Inspirationen nahm, er hatte noch eine weitere bahnbrechende, weltweit erfolgreiche Idee. Und wieder hatte es mit Hygiene zu tun. Jalón erfand die Plastik-Einwegspritze, die die Glaskörper Mehrwegspritzen ersetzte. Wieder ein Produkt, das die ganze Welt benötigte und rasant erfolgreich wurde. Wieder wurde das Unternehmen von einem Konzern übernommen.

Es ist schon erstaunlich, dass wohl in keiner Wirtschaftsvorlesung der Welt Manuel Jalón Corominas ein Thema ist. Lieber wird zum tausendsten Male Zuckerberg & Co durchgenommen, Menschen, deren Ideen schon lange Geschichte und abgelöst sein werden, wenn Millionen Menschen gerade mit ihrem Jalón Wischmopp zu Gange sein werden oder Patienten eine Spritze mit Jalóns Erfindung bekommen werden. Dabei wäre doch Jalón viel motivierender, erreichbarer und vielleicht auch sympathischer.

GREGOR – die weltbeste Sonnenteleskop Technologie.

Das Sonnenteleskop GREGOR im Izaña Observatorium auf Teneriffa, Teide Nationalpark. Die effektivste Sonnenteleskop Technologie weltweit. (© Dr. Ingmar Köhler)

Das Sonnenteleskop GREGOR im Izaña Observatorium auf Teneriffa, Teide Nationalpark. Die effektivste Sonnenteleskop Technologie weltweit. (© Dr. Ingmar Köhler)

Spanien hat vieles, das andere Länder gerne hätten. Zum Beispiel einen der klarsten Himmel weltweit, der zwischen östlicher und westliche Hemisphäre liegt samt hohen Bergen, von denen, ohne von verschmutzter Luft gestört zu werden, das Universum beobachtet werden kann. So ein Ort ist zum Beispiel im Teide Nationalpark Teneriffa auf den Kanaren.

Der Teide, bekanntlich mit 3.718 m der höchste Berg Spaniens, beherbergt an seinem Fuss das Izaña Observatorium. Es zählt zu den grossen drei Astronomie Pilgerstätten der Welt: Hawaii, Kanarische Inseln, Chile in Reihe ihrer Bedeutung. Im Bereich Sonnenbeobachtung ist es auf Grund seiner Lage und natürlichen Gegebenheiten No.1 weltweit.

Und genau hier steht das beste Sonnenteleskop der Welt: GREGOR. Es hat einen Spiegeldurchmesser von 1,5 m und ist damit ein paar Zentimeter kleiner als der Konkurrent in den USA. Fachleute wissen, Grösse ist nicht alles, es kommt auch auf die Technik an und so hat GREGOR, trotz ein paar Zentimeter weniger, die höhere Auflösung und somit die Nase vorne.

GREGOR wurde von einer deutschen Forschungsgemeinschaft errichtet. Im Izaña Observatorium ist es üblich, dass der spanische Staat den Grund verpachtet und als Pachtzins 20% der Beobachtungszeit für eigene Forschung als Naturalzins erhält. Eine faire Sache.

Sonnenkraftwerk – la fuerza del sol.

Plataforma Solar Almería – von der Internationalen Energieagentur 1973 als Reaktion auf die Ölkrise 1973 gegründet. Internationale Forschungs- und Versuchsanstalt. (© CIEMAT)

Plataforma Solar Almería – von der Internationalen Energieagentur 1973 als Reaktion auf die Ölkrise gegründet. (© CIEMAT)

ABENGOA S.A. ist ein international tätiges spanisches Unternehmen mit Hauptsitz in Sevilla, Andalusien und wurde schon 1941 gegründet. Es befasst sich mit Energie, Kommunikation, Logistik und Umwelttechnik. Kennen werden es nur Menschen, die sich für erneuerbare Energie, Green Energy, interessieren, denn ABENGOA S.A. betreibt die leistungsfähigsten Sonnenkraftwerke der Welt.

Aktuell ist das die „Plataforma Solar de Sanlúcar la Mayor – PSSM“ in der Nähe Sevillas. Der Ort wurde nicht gewählt, weil er in der Nähe des Firmen Headquarters liegt, sondern weil Andalusien mit dem klarsten Himmel und den meisten Sonnenstunden Kontinetal-Europas verwöhnt wird. Geschlagen wird Andalusien nur vom nicht kontinentalen Europa der Insel Fuerteventura.

Das Prinzip eines Sonnenkraftwerks ist einfach: Möglichst viele Spiegel, die Rund um einen Turm verteilt sind, bündeln Sonnenlicht auf einen Punkt, um maximale Hitze zu erzeugen. Wasser wird zum Sieden gebracht und damit eine Turbine mit einem Generator angetrieben. Also ein einfaches Dampfkraftwerk, bei dem aber die Wärme nicht durch Verbrennung fossiler Energieträger oder Kernspaltung, sondern durch die Sonne erzeugt wird. Damit das gut klappt, müssen es nicht nur viele Spiegel sein, sondern sie müssen auch optimal um den Fokus-Punkt verteilt werden.

Abgeschaut hat man sich das von der Sonnenblume. Sie verteilt ihre Blätter um die Kerne im „Goldenen Schnitt“, um das Sonnenlicht für das Wachstum der Kerne möglichst optimal zu reflektieren. Der „Goldene Schnitt“, schon seit der Antike bekannt und ideales Prinzip ästhetischer Proportionen in Kunst und Architektur. Ganz Entscheidendes kann die Sonnenblume aber mehr, als jedes Sonnenkraftwerk: Sie folgt dem Sonnenlauf durch Drehung.

Josef Pillhofer (1921 - 2010), abstrakter Bildhauer der Wotruba-Schule. Studie zu Harmonie und Proportionen. Bemerkenswerte Ausstellung anlässlich des Todes im Wiener Künstlerhaus Mai 2011. (© Dr. Ingmar Köhler)

Josef Pillhofer (1921 – 2010), abstrakter Bildhauer der Wotruba-Schule. Studie zu Harmonie und Proportionen. Bemerkenswerte Ausstellung anlässlich des Todes im Wiener Künstlerhaus Mai 2011. (© Dr. Ingmar Köhler)

PSSM besteht derzeit aus zwei Einheiten, die gut 30 MW Leistung erzeugen und nach und nach auf 300 MW weiter ausgebaut werden sollen. PS10 besteht aus 624 Spiegel, die im goldenen Schnitt um einen 115 m hohen Absorber platziert sind und leistet 11 MW. PS20 besteht aus 1.255 Spiegel, die auf einen ebensolchen Absorber ausgerichtet sind. Es leistet gut 20 MW und ist damit das leistungsfähigste einzel Kraftwerk seiner Art weltweit. Doch ABENGOA S.A. hat ambitionierte Pläne und begann in der kalifornischen Mojave Wüste einen Solarkraftwerk Komplex zu errichten, der im Endausbau 900 MW leisten wird. Damit lässt sich eine Stadt von einer halben Million Einwohner mit elektrischer Energie versorgen. Ein Drittel der angepeilten 900 MW sind bereits produktiv.

Das Solarwärmekraftwerk PS10 + PS20 in Andalusien nahe Sevillas. Das größte kommerzielle Solarturmkraftwerk Europas. (© CCL aflores)

Das Solarwärmekraftwerk PS10 + PS20 in Andalusien nahe Sevillas. Das größte kommerzielle Solarturmkraftwerk Europas. (© CCL aflores)

Sonnenkraftwerke sind optimale Energielieferanten für Länder in Südeuropa, Afrika etc. Die Technologie ist einfach, bekannte, ausentwickelte Technologie wird zu einem neuen Kraftwerk kombiniert. Sonnenkraftwerke sind auch in der Lage eines der zentralen Probleme erneuerbarer Energie einfach zu lösen: Was tun, wenn gerade Sonne, Wind oder Wellen nicht mitspielen? Die Lösung ist einfach. Ein fixer Anteil an erzeugter Wärme wird in Wärmepuffern, wie bei einer Nachtspeicherheizung, zwischen gespeichert und kann bei Bedarf mit geringster Verzögerung zugesteuert werden.

Wer sich intensiver für Solarenergie interessiert, kann sich von der Sanlúcar la Mayor Ebene bei Sevilla in die Provinz Almería aufmachen. Rund 400 Km entfernt liegt in der Tabernas Wüste, unweit des Ortes Almería, die „Plataforma Solar de Almería“. Sie wurde Anfang der 1980iger Jahre von der Internationalen Energieagentur als Antwort auf den ersten Öl-Schock gegründet. Hier erforschen internationale Teams alles rund um die Nutzung der Sonnenenergie. Die Leitung liegt seit der Gründung beim DLR, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Wer es nach Almería schafft, kann an einer interessanten Tour durch das Gelände teilnehmen (s.u.).

MareNostrum – Supercomputer in göttlichem Umfeld.

Rechenleistung und Schönheit in perfekter Harmonie: Der MareNostrum Supercomputer in der alten Kapelle Torre Girona der Polytechnischen Universität Katalonien. (© Barcelona Supercomputing Center)

Rechenleistung und Schönheit in perfekter Harmonie: Der MareNostrum Supercomputer in der alten Kapelle Torre Girona der Polytechnischen Universität Katalonien. (© Barcelona Supercomputing Center)

„MareNostrum“, unser Meer, der alte Lateiner Begriff der Römer für das Mittelmeer. Das ist der schnellste Supercomputer der EU und der steht in Barcelona. Unglaubliche 13,7 Petaflops leistet er. Das ist die Anzahl der Fliesskomma Operationen pro Sekunde. Darüber und über andere erstaunliche technische Details, die es ihm ermöglichen, Klima Simulationen durchzuführen, Materialeigenschaften virtuell zu testen oder Kosmetika ohne Tierversuche auf Verträglichkeit zu prüfen, darüber könnte man sich endlos auslassen und begeistern. Zu recht.

Doch das ist im Bereich der Supercomputer ein allzu vergängliches Gut: Die Petaflops. So vergänglich, dass halbjährlich ein neues Ranking erfolgt und niemand weiss, welche geheimen strategischen Regierungscomputer in diesem Ranking nicht enthalten sind und wirklich die Schnellsten der Super-Schnellen sind.

Eines macht MareNostrum jedoch einzigartig. Das ist nicht sein klingender Name „MareNostrum“. Das können die Chinesen auch gut. Ihre beiden Supercomputer die Platz zwei und drei der Weltrangliste einnehmen, tragen den schönen Namen „Tianhe I“ und „Tianhe II“ für Milchstrasse I und II. Einzigartig macht MareNostrum seine Schönheit, wie er stolz in einzigartigem Ambiente präsentiert wird.

Die stolzen Katalanen bewiesen wieder einmal Stil, Klasse und Mut und bauten MareNostrum im Torre Girona, der alte Kapelle der Polytechnischen Universität Kataloniens, auf. In einem fünf Meter hohen Glaskubus steht er in der alten Kirche wie ein „Deus ex machina“, eine Gottheit, die auf die Bühne befördert wurde. Würde man nicht von der Schönheit der Inszenierung geblendet in der sakralen Halle stehen, die von den tausenden blinkenden und flackernden Dioden einen Anstrich festlicher Weihnachtsmette bekommt, würde man unweigerlich an das goldene Kalb denken, an falsche Götzenbilder und ähnliches. Man ruft sich in erinnern, ein tief katholisches Land, aber sehr pragmatisch katholisch. Trotzdem gewagt – schön.

Über manches zu schreiben ist müssig. Es muss erlebt werden. Wer in Barcelona ist, kann MareNostrum besuchen. Nein, muss ihn besuchen (s.u.). So kann sich jeder selber ein Bild machen und die Szene auf sich wirken lassen. Es lohnt. Darüber hinaus gibt es eine halbstündige Präsentation, die das Wunderwerk der Technik erklärt und vermittelt, wozu es in der Lage ist. Wer MareNostrum besucht, erhebt sich wie ein Riese über den Normaltouristen, der für die Zuckerbäcker Architektur von Antoni Gaudí Schlange steht, wie es ihm von den unzähligen Reiseführern aufgetragen wird.

Pinz Daint ist das Stichwort, um wieder auf den Boden der Realität geholt zu werden. Piz Daint, der schnellste Supercomputer Europas, doppelt so schnell wie MareNostrum. Piz Daint steht aber in der Schweiz, Lugano. Was die kleine Schweiz so ganz ohne EU schafft, gleicht einer verdienten technologischen Demütigung des finanzkräftigen aber visionslosen EU Molochs, der sich entsprechend der Begabung und Bildung seiner Akteure lieber mit Bananen als mit Technologie befasst. Doch wo spielt wirklich die Musik in Sachen Supercomputing? Lange Zeit gab China mit Tianhe I und Tianhe II den Takt an, die USA weit abgeschlagen. Doch es wäre nicht die USA, wenn es nicht die Herausforderung angenommen hätten. Am 8. Juni 2018 war es soweit. Das Oak Ridge National Laboratory verwies Tianhe I und Tianhe II mit dem von IBM entwickelten Supercomputer “Summit OLCF-4” auf die Plätze und gibt nun mit unglaublichen 200 Petaflops den Ton weltweit an. Zum Vergleich, das ist 15 x schneller als der mächtigste EU Supercomputer MareNostrum. Es zeigt, wo sich die EU in Sachen Zukunftstechnologie wirklich bewegt. Sie trottet mit der roten Laterne hinten nach.

MareNostrum – Erster der Kür.

Pinz Daint – Erster der Pflicht.

Summit OLCF-4 – Weltweit schnellster Supercomputer.

Nützliche Links.

¡Viva España! – Buch Tipps. Das gute Buch für kluge Leser.

Quellennachweis.

Bildnachweis wie referenziert mit freundlicher Genehmigung: Barcelona Supercomputing Center, Swiss National Supercomputing Centre, Oak Ridge National Laboratory, Dr. Ingmar Köhler, CIEMAT sowie 2.0 Generic (CC BY 2.0).

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