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Kultur + Lifestyle

WOMAD 2017 Las Palmas Gran Canaria – ein Festival kehrt zurück.

WOMAD – World of Music Art and Dance, ein internationales Festival, das wohl eher Musik Enthusiasten als der breiten Masse bekannt sein dürfte. Der Mastermind und Mitbegründer des WOMAD Festivals ist aber fast jedem ein Begriff. Peter Gabriel, ex Frontman von Genesis war es, der 1980 die zündende Idee für das Festival hatte. Schon 1982 ging das erste WOMAD Festival auf die Bühne und war von Anfang an ein grosser Erfolg.

WOMAD – Musik, Kunst und Tanz, das ist das Thema, ein Crossover aller denkbaren Strömungen und Stilrichtungen, experimentell, immer neu, interessant und inspirierend.

So, wie die Musik und Bühnenperformance von Peter Gabriel auch war. Der sich in immer exzentrischeren Kostümen auf der Bühne präsentierte, sich mit einprägsamer Stimme als Gesamtkunstwerk inszenierte. Auch mit schwer zuordenbaren Gesangstechniken, die er zum Beispiel in Tibet studierte. Unter dieser erdrückenden Präsenz zerbrach Genesis und Peter Gabriel begann sich erfolgreich in Soloprojekten auszuleben. Unter anderem im WOMAD.

WOMAD 2017 – Verschmäht auf Fuerteventura, begeistert empfangen auf Gran Canaria.

WOMAD Music, Dance, Art Festival Fuerteventura Gran Tarajal 2016

Die WOMAD Bühne 2016 am Strand von Gran Tarajal, Fuerteventura.

Das WOMAD Festival findet jedes Jahr in mehreren Ländern statt. In Spanien gleich zweimal – auf der Peninsula und den Kanaren. Auf letzteren gastiert es seit 1993, bis 2013 ununterbrochen in Las Palmas Gran Canaria, bis es 2014 von Fuerteventura an Land gezogen wurde. Dort wurde das WOMAD Festival dreimal hintereinander am herrlichen Stadtstrand von Gran Tarajal in Szene gesetzt. Zwei Bühnen auf einem vier Kilometer langen und 600 Meter breiten Sandstrand aus feinstem, schwarzen Lavasand. Das war eine fantastische und einmalige Kulisse. Musik am Strand und barfuss tanzen im Sand. Das hatte was.

Einzigartig: Die WOMAD Festivals sind auf den Kanaren für den Besucher kostenlos. Anders als auf der spanischen Halbinsel. Das setzt voraus, dass die jeweilige Inselverwaltung, die Cabildos, rund 120.000,- Euro an Subventionen springen lassen. Ein verschwindet kleiner Betrag, denkt man, welcher Magnet das Festival ist und welche Umwegrentabilität es bringt. 2017 war das dem Cabildo von Fuerteventura zu viel, was auf grosses Unverständnis stiess. In Zeiten, in denen die Steuertöpfe auf Grund des boomenden Tourismus überquellen und das Cabildo von Fuerteventura an jeder Ecke einen monumentalen Kreisverkehr errichten lässt, um das Geld durchzubringen, völlig unverständlich. Noch dazu war das WOMAD das einzige echte internationale Kulturfestival, das die Insel der Strände, des Windes und der Sonne zu bieten hatte. Ein kapitaler Verlust für Fuerteventura. Und für die WOMAD Fans, denn die Stimmung am Strand von Gran Tarajal war grandios.

Der Korb, den Fuerteventura dem WOMAD Festival 2017 gab, freute Gran Canaria über die Massen. Endlich konnte man es wieder nach Las Palmas zurück holen.

Die kolportierten 125.000,- Euro Zuschuss ein Betrag, so lächerlich klein, dass er wohl kaum diskutiert wurde. Viele hofften, das WOMAD könne am Stadtstrand von Las Palmas statt finden. Doch das schien jedem Insider als völlig unrealistisch. Der Playa de las Canteras ist den Insulanern heilig. Er gilt als einer der schönsten Stadtstrände der Welt, konkurriert mit der Copa Cabana. Ein Musikfestival von dieser Dimension am Playa de las Canteras? Undenkbar!

Die Standbewohner von Las Palmas lieben ihren Strand. Entspannt vermischen sich Fischer, Städter, Surfer, Touristen, Sportler und mehr zu einem harmonischen Ganzen. Entspannt ruhig geht es zu.

Die Standbewohner von Las Palmas lieben ihren Strand. Entspannt vermischen sich Fischer, Städter, Surfer, Touristen, Sportler und mehr zu einem harmonischen Ganzen. Entspannt ruhig geht es zu.

So fand es wie eh und je im nahen Parque de Santa Catalina statt und das ist auch definitiv der richtige Ort für das Festival. Hier traten in der langen Geschichte des WOMAD bereits Grössen wie Sir Van Morrison, Sonic Youth, Youssou N’Dour oder Suzanne Vega auf. Auch 2017 war das Line-up erstklassig. Richtig prominente Namen fanden sich nicht, aber oft ist das WOMAD eines der Sprungbretter für erstklassige Musik und Performance, die gar nicht so in den Mainstream passen. In der aalglatten, durch gecasteten und faden Musikwelt von heute ein Refugium für echte Musik, für Musik, die aus Leidenschaft gemacht wird und nicht dafür, bei facebook und anderen Randnotizen der Geschichte berühmt zu werden.

WOMAD Faszination – experimenteller Crossover hoch professionell.

WOMAD Music, Dance, Art Festival Fuerteventura Gran Tarajal 2016

WOMAD 2016 Gran Tarajal, Fuerteventura.

WOMAD, ein Festival zum Entdecken und Mitmachen. Mainstream wird nicht geboten. WOMAD ist verträgliche Avantgarde in Musik, Tanz und Kunst und es motiviert den Besucher mitzumachen. Auf der Bühne, in Kunstworkshops und mehr.

Miroca Paris Project: Fusion Drummer aus Cabo Verde – die Menge kocht!

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: Das "Miroca Paris Project" – Fusion Drummer aus Cabo Verde, bringen tausende Festival Gäste zum ausgelassenen Tanzen. Sensationell.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: Das “Miroca Paris Project” – Fusion Drummer aus Cabo Verde, bringen tausende Festival Gäste zum ausgelassenen Tanzen. Sensationell.

Miroca? Hand aufs Herz, wer hat schon einmal von ihm und seinem „Miroca Paris Project“ gehört. Wohl kaum jemand. Und das ist ein schwerer Fehler. Und genau deswegen sollte man ein WOMAD besuchen, um Neues zu entdecken.

Miroca ein Künstler aus Cabo Verde, den Inseln im Atlantik, also gar nicht so weit weg von Gran Canaria. Sogar einen Direktflug gibt es zweimal wöchentlich mit Binter Airlines von Las Palmas nach Sal auf Cabo Verde. Seinen Künstlernamen „Paris“ trägt Miroca da er in São Vicente, dem Paris der Kapverdischen Inseln, geboren wurde und aufwuchs. Dort entdeckte er schon in seiner Jugend den Hang zu den Drums, Gitarre und Gesang. Seine frühe Karriere führten ihn nach Portugal, Frankreich, Canada und Polen.

Am WOMAD brachte der Fusion Drummer mit dem „Miroca Paris Project“ die Masse zum Kochen. Die Musiker auf der Bühne spielten und trommelten förmlich ihre Seele aus dem Leib. Von so ungestümer Energie, genialem Rhythmus und Sound wurde absolut jeder mitgerissen. Nach kurzer Zeit war niemand mehr zu sehen, der nicht irgendwie tanzte. Das Publikum so begeistert, dass man trotz strengem WOMAD Bühnentakt das „Miroca Paris Project“ nicht ziehen lassen wollte. Und so holte der Meister zur letzten Nummer noch Gäste aus dem Publikum auf die Bühne, die dort neben den Drums mittanzen konnten.

„Miroca Paris Project“ – das war WOMAD wie es Peter Gabriel erfunden hat. Neu, inspirierend, mitreissend, begeisternd, ein Erlebnis. Daher kommt man auf das WOMAD. Um der Liebe zu Musik, Tanz und Kunst neue Impulse zu geben und dem hirnerweichenden Mainstream, der Tag ein Tag aus immer gleich rauf und runter gespielt wird, zu entkommen. Alleine dieser Gig war die Reise zum WOMAD wert.

Niño de Elche: Flamenco extrem von Francisco Contreras.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: "Niño de Elche" (Francisco Contreras) – Flamenco aus Spanien als Cross over Projekt mit kritischen Texten.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: “Niño de Elche” (Francisco Contreras) – Flamenco aus Spanien als Crossover Projekt mit kritischen Texten.

„Niño de Elche“ – nein, das ist kein Kind vom Elch, sondern bedeutet abtrünniges Kind. „Niño de Elche“ ist Francisco Contreras Molina und der macht extremen Flamenco, wirklich extrem. Nicht umsonst heisst sein letztes Album „Voces del Extremo“. Und so präsentiert er sich auch auf dem WOMAD 2017 in Las Palmas.

Auf Kleidung legt Francisco entsprechend seiner politischen Gesinnung keinen allzu grossen Wert. Es wirkt so, als ob er gerade hinter der Bühne Gartenarbeit erledigt hätte und noch schnell etwas auf der Bühne zum Besten geben möchte, bevor er die Ziegen melken muss. Das Outfit wäre bei Mao anstandslos durchgegangen – mausgrauer und gammeliger geht es nicht. Ein bewusstes Signal im so formellen Spanien. Zufall ist das keiner. Schillernd kleiden muss sich „Niño de Elche“ auch nicht, denn das ist seine Musik und Botschaft. Ein schön angestimmter Flamenco von zwei herrlichen akustischen Gitarren begleitet, verwandelt sich in ein ohrenbetäubendes und nervenzerreibendes, wahnwitziges, ja irres Gekreische. Wahrhaftig – „Voces del Extremo“ nahe am Wahnsinn. Irgendwie passt das doch zu unserer Zeit.

Das Publikum ist ganz und gar angetan und begeistert. Dazu muss man wissen, bei „Niño de Elche“ geht es nicht primär um Musik, sonder diese ist Transportmedium für politische Kritik. Und somit ist „Niño de Elche“ erstens nur dann verträglich, wenn man des Spanischen mächtig ist und zweites, wenn man sehr weit links steht oder die Welt einmal anders betrachten möchte.

Verstehen kann das alles nur jemand, der in der Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges bewandert ist, wie katholische Kirche und Grossgrundbesitz die spanische Bevölkerung blutig niedergeknüppelte, um eine schon lang anstehende Bodenreform zu verhindern. Um Macht und Vermögen zu sichern. Lang ist das nicht her. Im Prinzip hat Spanien heute immer noch dieselben Probleme, die es auch in Lateinamerika hinterlassen hat. Da tut sich nicht viel. Und wenn Contreras meint, Spanien ist keine Nation, dann legt er seinen Finger in die Wunde der Katalonien Krise. Egal wo man politisch steht, Recht hat er. Spanien ist ein zwangsvereintes Gebilde aus (mindestens) fünf eigenständigen Volksgruppen, eigener Sprache, eigener Kultur, eigener Geschichte.

„Niño de Elche“ ist interessant. Er braucht nicht viel. Sich, zwei Gitarren und seine Message. Schön intonierter Flamenco, der sich in nervenaufreibenden Gesang verwandeln kann, manchmal, nicht immer.

Als Francisco Contreras Molina „Miénteme“ (Lüg mich an) anstimmt, hat man das Gefühl, einwenig Peter Gabriel singt da mit.

Francisco Contreras Molina ist absolut nicht einzuordnen. Das Publikum war begeistert, denn er hat eine klare und einfache Botschaft – die Welt ist ungerecht. Gut, das wissen schon Kinder im Sandkasten. Kommunist ist er keiner. Die sind ihm zu „totalitär, hierarchisch und konservativ“. Angesagter Linker auch nicht. Dazu ist er zu schlecht gekleidet. Francisco Contreras Molina ist einfach „Voces del Extremo“. Was er zum Besten gibt trifft den Nagel auf den Kopf, sein Lösungsvorschlag „Alles ändert sich, wenn du auf deinen Nächsten hörst.“ etwas undurchdacht. Maestro Contreras, was wäre, wenn Ihr „Nächster“ General Riviera oder Franco wäre? Ja, dann ändert sich alles, aber nicht zum Guten.

Beating Heart Music: Electro Dance aus Südafrika – Lulu James begeistert zu sensationellen Beats.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: "Beating Heart Music" Electro Dance aus South Africa mit Performance von Lulu James Tansania / UK. Das Publikum bebt – zu recht.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: “Beating Heart Music” Electro Dance aus South Africa mit Performance von Lulu James Tansania / UK. Das Publikum bebt – zu recht.

Gleich vorneweg: „Beating Heart Music“ mit der Performance von Lulu James war grandios, nein, irgendwie noch mehr als grandios, sollte das gehen. Man hat sich das so vorzustellen: Auf der Bühne kein einziges Instrument, nur zwei grosse Mischpulte. Emotionslos kommen zwei blasse Gestalten mit etwas zu bunten Hemden auf die Bühne. Angekündigt wurden sie mit der motivierenden Aussage, man kann heutzutage auch schon ohne klassische Instrumente Musik machen. Ja, das ginge durchaus. Daher will man auch „Beating Heart Music“ eine Bühne bieten. Irgendwie hatte man das Gefühl, der Moderator entschuldigt sich schon vorneweg für den aufziehenden Flop und wolle das Publikum vornweg besänftigen, damit es zu keiner allzu grossen Enttäuschung kommen würde.

Kaum werfen die beiden ihre Mischpulte an, preschen sagenhafte Beats aus der Anlage. Eine Mischung aus Schock und Begeisterung vibriert durch die Menge. Man kann es nicht einordnen, es geht hin und her. Funky, groovy und dann hat man wieder nicht die geringste Ahnung, was das für ein Stil sein könnte. Die Antwort: „Beating Heart Music“ aus Südafrika mischt traditionelle Rhythmen und Sounds aus südafrikanischen „field recordings“ zu einem Gesamtkunstwerk. Das Ergebnis ist ein „jumping dancefloor sound“, der einfach gewaltig ist. So noch nie gehört, unglaublich gut. Mitreissend, speziell, die Menge euphorisch und da oben stehen diese „zwei Typen“, drehen an den Knöpfen so cool, als ob sie ein Fliessband bedienen würden. Scheinbar gänzlich emotionslos, schicken sie fetzigen Sound in die Menge, der diese abheben lässt. Was für ein Kontrast. Aber, es geht noch mehr.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: "Beating Heart Music" Electro Dance aus South Africa mit Performance von Lulu James Tansania / UK. Das Publikum bebt – zu recht.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: “Beating Heart Music” Electro Dance aus South Africa mit Performance von Lulu James Tansania / UK. Das Publikum bebt – zu recht.

Als die Menge, völlig mitgerissen von den Beats, beginnt zu kochen, springt, ja in der Tat springt, Lulu James aus Tansania auf die Bühne. Gross, schlank, charismatisch mit blitzend weissen Zähnen und einem mitreissenden Lachen, einer Gazelle gleich elegant, offensichtlich eine Maasai und beginnt mit jeglicher Energie, die in ihrem Körper zu stecken scheint, zu tanzen. Der Stil schwer einzuordnen. Man hat das sichere Gefühl, Lulu tanzt einfach gerade das, wo nach ihr gerade ist – tribal, moderner Ausdruckstanz oder einen Bandscheiben-Killer-Style. Ab und zu greift sie nach dem Mikrophone und die grosse, grazile Maasai Dame überrascht mit einer tiefen, eindringlichen Stimme. Einwenig Grace Johns. Das Ganze ist so ansteckend, dass das Publikum vor der Bühne hemmungslos mittanzt.

Die Beats von „Beating Heart Music“ zusammen mit der Tanzperformance von Lulu James ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Es ist zu spüren: Bühne und Publikum stehen im Kontakt, man schaukelt sich gegenseitig auf. Was Lulu James da zu den genialen Beats abliefert, ist neben Kunst Hochleistungssport. Als sie abtreten will, insistiert die Audienz so hartnäckig, das sie völlig erschöpft noch einen letzten Anlauf nimmt und unter frenetischem Applaus ihr Letztes gibt.

Freitag zehn Uhr nachts, das Festival geht noch bis in die frühen Morgenstunden. Samstag geht es weiter. Man fragt sich: Was soll da noch nachkommen?

==> 360 Grad Clip vom „Beating Heart Music“ Act ansehen (nur im aktuellen Chrome, Firefox oder Opera Browser lauffähig)

Bombino: Tuareg-Rock-Fusion – Drums, Bass, Reefs und Gitarren Solos.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: „Bombino“ aus dem Niger – Fusion aus klassischer Tuareg Musik mit genialem Gitarren Rock. Das ist WOMAD in Reinkultur.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: „Bombino“ aus dem Niger – Soundcheck des Bassisten. Irgendwie war das noch das Coolste des Gigs.

„Bombino“ das ist Tuareg-Rock-Fusion von Goumar Almoctar aus dem Niger, einem Tuareg. Almoctar erhielt seinen Spitznamen „Bombino“, da er in der ersten Band, in der er mitspielen durfte, noch als Kind durchging. Man nannte ihn daher ironisch „Bombino“ abgeleitet vom italienischen „Bambino“.

Während der Tuareg-Rebellion im Niger, schloss sich „Bombino“ erst den Rebellen an, kämpfte aktiv mit, floh aber schnell ins nahe Tamarasset, der grössten Oase Algeriens. Nach der Rebellion kehrte er nach Niger zurück. Mittlerweile produzierte „Bombino“ drei Alben. Das letzte „Nomad“ wurde vom Magazin Rolling Stones zu den 50 besten Alben des Jahres 2013 gewählt. Produziert in Nashville, Tennessee.

„Bombino“ bringen auf dem WOMAD saubere, klassische Gitarren Reefs auf die Bühne mit soliden Basslines und verwirrendem „Zubehör“. Die Bühnenperformance wirkt starr, unbeweglich, fast linkisch, in langen Mänteln präsentiert man sich. Da kommt nichts rüber. Kein Feuer. Nein, cool ist das nicht, eher langweilig, steif, Altherren Style. Tot wirkt es. Bei Songs wie „Amidinine“ fragt man sich, welche Stilrichtung führt nun und trägt welche? Alles wirkt chaotisch ohne Linie. Ein Durcheinander, ein nicht wissen, wo die Reise hingehen soll. Zum Tanzen ist das Ganze gar nicht geeignet. Muss es auch nicht. Zum Zuhören und geniessen aber auch nicht. Und auch Headbanger werden kaum in Stimmung kommen, sich ein Schütteltrauma zuzulegen.

Irgendwie ist „Bombino“ nicht Fisch und nicht Fleisch. Es ist irgend etwas. Sensationell auf gar keinen Fall. 2013 scheint kein guter Jahrgang gewesen zu sein, wenn es „Nomad“ in die Top 50 Alben des Rolling Stone Magazins schaffen konnte.

Der Festival Besucher bleibt ratlos oder gelangweilt zurück. Esoterisch angehauchten Ashram Veteranen könnte die Performance gefallen haben. Vorausgesetzt, sie hatten ordentlich geraucht.

WOMAD – ein Festival zum Mitmachen.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: Audience on Stage – WOMAD ist ein Festival zum Mitmachen.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On stage: Audience on Stage – WOMAD ist ein Festival zum Mitmachen.

Man kennt es. Meist enden Versuche, das Publikum auf „modern und interaktiv“ zum Mitmachen zu bewegen, in einer einzigen Peinlichkeit. Keiner will, Opfer werden aus dem Publikum zwangsverpflichtet, die müssen sich dann quälen lassen, während sich das Publikum langweilt. In der Regel sind diese Ansätze idiotisch.

Das Publikum kommt, um Kunst oder Unterhaltung zu sehen, nicht weil es selbst berufener Künstler ist oder sein möchte. Und so sollte man auch die Seiten und Verhältnisse lassen und nicht krampfhaft vermischen und Zwangs beglücken unter dem Motto: Jeder ist ein Künstler. Nein, nicht jeder ist ein Künstler. Definitiv nicht.

Beim WOMAD ist das etwas anders, das mit dem Mitmachen. Hier geht das anders. Es wird angeboten und nicht zwangsbeglückt. Es geht darum auszuprobieren, zu lernen, etwas zu versuchen. Spielerisch. Aber es ist klar getrennt. Dort treten die Profis auf, hier dürfen Amateure probieren. Das ist gut so und der richtige Weg. Denn auf der Profi Stage hat der Amateur einfach nichts verloren.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On site: Cross over nicht nur in der Musik. Workshops für Kids und Erwachsene, Kunsthandel und Fusion Kitchen. WOMAD – ein Festival für alle Sinne.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On site: Cross over nicht nur in der Musik. Workshops für Kids und Erwachsene, Kunsthandel und Fusion Kitchen. WOMAD – ein Festival für alle Sinne.

Ein grosser Teil des Mitmach Programms ist den Jüngsten gewidmet, über den ganzen Tag. Spiele auf der Wiese wie „ano dazumal“, bei denen die Kids auch im digitalen Zeitalter immer noch mit Feuer und Flamme dabei sind. Oder „Workshops“, wo sich die Kids ausprobieren können. Musikalisch, bildend entdecken können, was Spass macht, wo Talente liegen könnten. Dadurch bekommt das WOMAD auch den Touch eines grossen Familientreffens und das macht es auch zu einem besonders friedlichen Event.

Auch die Ältere Generation kann sich einbringen. Einmal aus Percussionist auf der Bühne, oder bei einer Tanzperformance mitmachen. Das Club Med Urlauber Abendprogramm auf höherem Niveau eben. Das Rezept, warum das alles klappt und so viele mitmachen, ist wohl das Ungezwungene, die Lockerheit und der Spass.

WOMAD on site – Kunsthandwerk und Kulinarik.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On site: Cross over nicht nur in der Musik. Workshops für Kids und Erwachsene, Kunsthandel und Fusion Kitchen. WOMAD – ein Festival für alle Sinne.

WOMAD Festival 2017 Las Palmas Gran Canaria. On site: Crossover nicht nur in der Musik. Workshops für Kids und Erwachsene, Kunsthandel und Fusion Kitchen. WOMAD – ein Festival für alle Sinne.

Bei keinem WOMAD fehlen die unzähligen Zeltstände, die Kunsthandwerk feil bieten. Hier gibt es alles: T-Shirts, Schnitzereien, vor allem aber Tand und Schmuck. Die Stände sind eine Plattform für Individualisten, Semi-Aussteiger, Lebenskünstler und recht abgefahrene Menschen, die ausstellen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sieht man es nüchtern, ist keiner von ihnen berufener Künstler mit Leib und Seele oder tut dies, um sich künstlerisch zu entfalten. Das Meiste wurde aus der Not heraus geboren, als Geldquelle und so wirkt das Angebotene grossteils wie eine Ausstellung der Bastelarbeiten des Werkunterrichtes eines Gymnasiums. Mit der Kombizange zusammengebogener Schmuck aus Bauhaus Draht, an dem Messing Beilagscheiben hängen, zum Beispiel. Wer es mag.

Anders präsentiert sich das Kulinarische. Hier geht es wieder professionell zur Sache. Verständlich, weil in diesem Bereich geht ohne Lizenz und Kontrollen nichts. Das Essen auf den WOMADs zeigt sich immer vielfältig, basic, erschwinglich. Der Bogen ist breit gespannt. Einfaches oder auch Experimentelles. Wer hat schon mal einen Burger gegessen, dessen Brot mit der Tinte eines Kalmaren dunkel eingefärbt wurde oder ähnliches? Auch hier herrscht auf dem WOMAD verträgliche Avantgarde.

WOMAD Reprise – einzigartig anders.

WOMAD Music, Dance, Art Festival Fuerteventura Gran Tarajal 2016

WOMAD 2016 am Strand von Gran Tarajal, Fuerteventura.

Was bleibt vom WOMAD 2017 in Las Palmas? Vor allem einmal die Erinnerung an ein herrliches Wochenende auf den Kanaren.

Im November, bei sommerlichen Temperaturen, wenn schon ganz Mitteleuropa friert und die Daunenjacken hervorholt, in kurzer Hose, T-Shirt und Flip-flops in die frühen Morgenstunden hinein zu tanzen, Musik zu geniessen, fantastische Performance zu erleben. Das ist einfach grandios. Das Ganze wie immer friedlich, auch Kinder noch spät nachts dabei, alte Menschen, ganz Junge und alles dazwischen. Ein Festival ohne Altersschleife, WOMAD ein Festival für Musik- und Tanz-Enthusiasten.

Keine betrunkenen Raufbolde, aggressive Zeitgenossen oder Belästigungen – so sollten Musikfestivals sein. Zu danken ist das dem speziellen Publikum, der perfekten Organisation und der überaus dezent präsenten National-Polizei, die kein Missverständnis aufkommen lässt: Wer hier Ärger macht, hat ein massives Problem, das sich keiner wünscht. Mit der spanischen Exekutive ist nicht gut Kirschen essen. Das schmeckt viele nicht, wirkt aber.

Wer meint, ein alternatives World Music Festival muss auch einwenig chaotisch ablaufen, der täuscht. Perfekt bis ins Kleinste. Ausgiebige Soundchecks am Vortag, die beiden Bühnen im Wechseltakt pünktlich auf die Minute bespielt. Alles läuft so reibungslos, dass man völlig vergisst, was es für einen logistischen Aufwand bedeutet, derart viele Künstler in zwei Tagen auf die Bühne zu bringen, im professionellen Sound- und Licht-Rahmen. Ganz zu schweigen vom auch parallel stattfindenden Rahmenprogramm. Hier kann man nur den Hut ziehen. Und andere Festivals können lernen. Und natürlich: Die Künstler geben alles. Keine Routine Auftritte, alle treten erschöpft ab. Aufs WOMAD kommt man nicht der Gage wegen. Das Publikum dankt es mit euphorischer Begeisterung.

Der riesige Sandstrand aus schwarzem, feinen Lavasand in Gran Tarajal, Fuerteventura. Eine Traum Location für das WOMAD. Leider Vergangenheit.

Der riesige Sandstrand aus schwarzem, feinen Lavasand in Gran Tarajal, Fuerteventura. Eine Traum Location für das WOMAD. Leider Vergangenheit.

Einen Wermutstropfen gibt es aber. Der Parque de Santa Catalina Las Palmas ist eine tolle Location, aber wer die letzten drei Jahre beim WOMAD am Strand von Gran Tarajal auf Fuerteventura dabei war, der kann doch einwenig wehmütig werden. Die sanft anlaufende Brandung in der mächtigen Bucht von Gran Tarajal, 100 Meter neben der Bühne, der feine schwarze Lavasand, in dem Barfuss getanzt wurde, der Palmen bewachsene Paseo und die Unmengen WOMAD Fahnen, die den Strand schmückten und im milden Abendpassat wehten, effektvoll angeleuchtet, das alles erzeugte ein derart sensationelles Ambiente, das man einwenig oder sehr wehmütig auf 2016 zurück blicken möchte. WOMAD 2017 auf Gran Canaria in Las Palmas war sensationell, vielleicht wäre es aber in Gran Tarajal Fuerteventura noch eine Spur stimmungsvoller gewesen. Wie auch immer: Wer Zeit und die Mittel hat, der sollte einmal ein WOMAD auf den Kanaren erleben. Ein Lebenserlebnis, ganz ohne Übertreibung.

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